Erste Beschusstests

Endlich haben Termine, Wetter und Coronaregeln mitgespielt und wir konnten die bisherigen Rüstungsvarianten einmal ausprobieren. Da das amerikanische Team um Gregory Aldrete sehr umfangreiche Beschusstests durchgeführt hat, war schon klar, dass die Rüstung Pfeilbeschuss standhalten würde. Allerdings entsprachen die verwendeten Pfeile allesamt nicht den antiken Vorbildern. Griechische Pfeilspitzen, die in rauen Mengen gefunden wurden, ähneln sehr stark einigen Typen skythischer Pfeilspitzen. Diese erfordern aber auch spezielle Pfeile, deren Schaft über die gesamte Länge im Durchmesser schwankte. Die Spitzen solcher antiken skythischen Pfeile waren schmaler, um in die Tüllen der verhältnismäßig kleinen Spitzen zu passen, verdicken sich über das erste Drittel hinaus, um dann wieder schlanker zu werden. Am Ende werden die Schäfte dann wieder etwas breiter, damit die Nock sicher in den Pfeil geschnitten werden kann (Anm. 1). Da die Herstellung solcher Pfeile und insbesondere die Beschaffung bronzener skythischer Pfeilspitzen gestaltet sich ziemlich schwierig, daher haben wir für die ersten Versuche auf maschinell gefertigte Pfeile mit Stahlspitzen zurückgegriffen. Die Pfeile sind insgesamt 80 cm lang, der Schaft 8 mm breit. Die sind dreikantig gestaltet und hinterlassen entsprechende Spuren.

 


 

Der von uns verwendete Bogen hatte eine Stärke von etwa 50 Pfund und war optisch an die  antiken Kompositbögen angelehnt.

 

 

Wir wollten vor allem unsere verleimten Panzerplatten auf die Probe stellen, aber auch die Schuppen und die gesteppte Schulterpartie (Epomides) testen. Der Beschuss erfolgte aus einer recht geringen Entfernung von 7 bis 10 m - zum Teil auch aufgrund unserer geringen Übung im Bogenschießen. Die Panzerplatten konnten die Pfeile problemlos aufhalten. Vor allem Treffer in der Mitte der Brust, wo die Anzahl der verleimten Leinenlagen aufgrund der "kombinierten" Konstruktion doppelt so hoch ist, wie an den Seiten oder im oberen Bereich der Panzerplatte.

 


 

Anders sah es in der halb so starken Zone im oberen Drittel der Brustplatte aus. Hier konnten die Pfeilspitzen zwar ebenfalls nicht vollständig durch das Material dringen, doch der Träger wäre durch die Spitze immerhin verwundet worden. Doch dieser Bereich der Brustplatte wäre im Normalfall zum größten Teil durch die Schulterlassen zusätzlich geschützt worden. Nur in der Mitte wäre ein dünnerer Bereich ungedeckt geblieben. Hier könnte eine zusätzliche Bronzeplatte angebracht gewesen sein.

 


 

Die Schuppen an den Seiten des Panzers wurden nicht einmal im Ansatz von den Pfeilen durchschlagen, sondern nur leicht verbogen. Doch die Aufschlagenergie beschädigte den Draht, mit dem die Schuppen aufgenäht waren, sodass drei Schuppen, von denen einer allerdings schon zuvor locker war, sich nach den Treffern vom Panzer lösten. Auch die Pfeilspitzen litten unter der Begegnung mit den Bronzeschuppen. Nach zwei Treffern waren die Spitzen deutlich verformt und müssten nachgeschliffen werden.

 


 

Die versteppten Schultern boten die geringste Schutzwirkung, da sie aufgrund ihrer hohen Flexibilität die kinetische Energie der Einschläge nur unzureichend auffingen. Dementsprechend waren auf der darunter liegenden Pappe deutliche Einschläge zu sehen, die an einem menschlichen Träger physische physische Verletzungen wären. Allerdings konnten die Pfeilspitzen das Material nicht durchschlagen, weshalb es sich bei den Wunden nur um Prellungen und im Ausnahmefall vielleicht Knochenbrüche der Rippen gehandelt hätte. Solche Verletzungen waren leichter zu behandeln gewesen als eine Einschusswunde, erst recht, wenn die Pfeilspitze - wie bei Skythenpfeilen oft der Fall - mit Gift versehen worden war (Anm. 2). Insofern lässt sich die Schutzwirkung einer versteppten Panzerung gegen Pfeilbeschuss mit der einer modernen beschusshemmenden Weste vergleichen.

 


 

Die mittels Stärkeleim verbundenen Schultern hatten aufgrund ihrer verhältnismäßigen Weichheit auch eine leicht verringerte Schutzwirkung.

 


 

Diese Ergebnisse waren interessant und sehr erfreulich für uns. Die Leistungsfähigkeit der unterschiedlichen Leinenpanzervarianten ist klar erkennbar. Eventuell könnte die Schutzwirkung sogar noch höher gewesen sein, da die von uns verwendeten Pfeile aus modernem Stahl und nicht aus Bronze waren. Zudem könnte die Form der Spitzen das Eindringen in die Panzerplatten erleichtert haben. Durch die dreiseitige Form musste nur eine kleine Fläche durchstoßen bzw. durchschnitten werden. Die Formen mancher weit verbreiteten, antiken Pfeilspitzen sind allerdings genau drei- oder viereckig, wodurch sie eine größeres Volumen an Panzerplattenmaterial verdrängen mussten. Vielleicht sind solche Pfeilspitzen demnach noch weniger in der Lage gewesen, einen Leinenpanzer zu perforieren. In der Zukunft werden wir versuchen, den Test mit nachgefertigten skythischen Pfeilen zu wiederholen.

 

M.Z.


Anmerkungen:

 

1 - Die Abbildung einiger Pfeile sowie unterschiedlichster Pfeiltypen sind zu finden bei: Burchard Brentjes: Waffen der Steppenvölker (II): Kompositbogen, Goryt und Pfeil - Ein Waffenkomplex der Steppenvölker, in: Archäologische Mitteilungen aus Iran, Band 28, 1995/1996, 179 - 210.

 

2 - Wolfgang Gailer, Rudolf Faustmann: Skythenbogen. Der Mythos lebt, Koppl 2018, 110 - 113.