Webtechnik im antiken Griechenland

Plutarch schreibt dem Leinen mehrere positive Eigenschaften zu, welche auch bei der Herstellung von Rüstungen durchaus vorteilhaft sind. Vor allem sein geringes Gewicht, seine ebenso geringe Anfälligkeit gegen Läuse und dass man ihn „zu jeder Jahreszeit gebrauchen könne“ (Worunter man eine gute Isolation gegenüber Hitze und Kälte verstehen kann) sind von diesen Eigenschaften hervorzuheben. Da der vordere Orient und vor allem Ägypten Hauptanbaugebiete der Pflanze waren, war sie vielen Völkern im Mittelmeerraum und daher auch den Griechen bekannt und leicht verfügbar, selbst wenn deren eigener Leinenanbau den Bedarf nicht hätte decken können.

Auch für Plinius den Älteren hatte das Leinen eine besondere Bedeutung. Obwohl das Spinnen von Fäden eine Tätigkeit war, die augenscheinlich zu seiner Zeit als unmännlich galt, so sagt er doch eindeutig „Lein zu spinnen, ist auch für Männer keine Schande.“.

 

Der Webvorgang

 

Die Weberei unterscheidet sich von anderen Formen der Stoffherstellung dadurch, dass eine Reihe parallel angeordneter Fäden, die durch den Webrahmen in dieser Lage gehalten werden von anderen Fäden senkrecht gekreuzt werden. Die parallel verspannten Fäden nennt man dabei Kettfäden, die Fäden, welche zwischen die Kettfäden geführt werden, Schuss- oder Einschussfäden.

Zum Verweben der Leinenfaser wurde ein Gewichtswebstuhl, wie er in der Abbildung 1 zu sehen ist, verwendet. Zwar handelt es sich bei dem dort abgebildeten Webstuhl um einen Nachbau aus römischer Zeit, allerdings dürften die griechischen Varianten in Ihrer Gestalt ähnlich gewesen sein. Überreste von griechischen Webrahmen scheinen bedauerlicherweise nicht erhalten geblieben zu sein, da diese Geräte aus einem äußerst vergänglichen Material bestanden. Daher geben lediglich gefundene Gewichte einen Hinweis auf den Einsatz dieser Technik. So konnte durch Funde in Arslantepe, in der heutigen Türkei die Erkenntnis gewonnen werden, dass die Technologie der Gewichtswebrahmen den Menschen mindestens seit dem 34. Jhd v. Chr. bekannt ist.

Foto: Carole Raddato @ Wikimedia.commons
Foto: Carole Raddato @ Wikimedia.commons

Abb. 1: Nachbau eines römischen Gewichtswebstuhls

Foto: Carole Raddato @ Wikimedia.commons

 

Diese, nach Theophrast aus dem Holz der Andrachne (Ob es sich dabei um die Pflanze Arbutus Andrachne, den östlichen Erdbeerbaum, handelt, ist unklar) bestehende Konstruktion war dabei nicht allzu kompliziert. Sie bestand aus zwei Pfosten, auf deren oberen Ende ein als Tuchbaum bezeichneter Querbalken lag. An diesem waren die vertikal verlaufenen Kettfäden befestigt. Diese wurden unterhalb das Webrahmens während des sogenannten Schärens als Bündel (Schar) zusammengebunden und an Gewichten befestigt. Diese dienten dazu, die Fäden auf Spannung zu halten. Beim Bespannen des Webrahmens wurden die Kettfäden abwechselnd über und unter einen zwischen ihnen befindlichen Trennstab geführt. In der schematischen Darstellung (Abb. 2) ist dies gleichzeitig der Balken, der den unteren Abschluss des Webrahmens bildet. Dadurch entstand ein natürlicher Zwischenraum (Fach) zwischen den Fäden, durch welchen der horizontal verlaufende Schussfaden geführt werden konnte. 

Um den Faden anschließend zurückzuführen war ein zweites, künstliches Fach notwendig. Dieses Fach wurde unter Zuhilfenahme eines Litzenstabes gebildet. Die Kettfäden, welche unterhalb des Trennstabes entlangliefen, wurden durch die für den Litzenstab namensgebenden Litzen geführt. Dadurch war es möglich, durch ein Anheben des Litzenstabes die hinteren Kettfäden vor die Vorderen zu heben, wodurch dieses benötigte Fach, durch welches der Schussfaden nun zurückgeführt werden konnte, entstand. 

Danach wurde der Litzenstab wieder sinken gelassen, sodass die Gewichte, die Fäden zurück nach unten in die Ausgangsposition zogen. Nach jedem Durchführen des Schussfadens wurde dieser von Hand oder mit Hilfe eines Spatels an den darüber befindlichen Schussfaden angelegt. 

Abb. 2: schematische Darstellung eines Gewichtswebstuhls

Zeichnung: Dominic Diercks

 

Die Fadendichte und -stärke waren dabei entscheidend für die Verwendung des hergestellten Stoffes. Wenn offen, also mit einem kleinen Abstand zwischen den Fäden, gewebt wurde, entstanden durchscheinende, schmückende Stoffe, die allerdings kaum mehr Schutz gegen Wind und Wetter hätten bieten können. Eine dichte Webung unter der Verwendung grober Fäden ergab im Gegenzug einen Stoff, der gut vor Wind, Regen und Kälte schützen konnte. Wenn man hingegen feine Fäden dicht verwob, erhielt man einen Stoff, der dem Träger Schutz vor Sonne und Hitze bot. Es war also notwendig, bereits vor dem Weben den Verwendungszweck des Endproduktes zu kennen und den Bedarf an Faden schon vorab zu berechnen. Um beispielsweise ein Stück Leinentuch mit den Maßen 1x1 m mit einer Fadendichte von 10/cm zu weben, benötigte man insgesamt 2km Faden (jeweils 1 km als Kett- und Schussfaden). 

Auch die gewählten Gewichte waren ein bedeutender Faktor, um zu bestimmen, welche Art von Stoff gewebt wurde. Schwere Gewichte waren für gröberes Garn bevorzugt und im Gegenzug leichtere Gewichte für feinere Stoffe. Sollten die Kettfäden eng aneinander liegen, wurden schmalere Gewichte verwendet; wenn offen gewebt werden sollte hingegen breitere Gewichte. Die Größe des Webrahmens bestimmte dabei, wie groß das gewebte Tuch maximal sein konnte.

Abb. 3: Webgewicht aus römischer Zeit.

Quelle: Peter van der Sluijs @ Wikimedia.commons

 

Nachdem das Weben abgeschlossen und damit das Tuch fertig gestellt war, wurde der entstandene Stoff schließlich noch einmal mit Stöcken geschlagen. Dies sollte dessen Qualität weiter erhöhen, da angenommen wurde, dass er dadurch noch schöner und heller wird. Inwiefern diese augenscheinlich kosmetische Behandlung bei der Herstellung des Leinenpanzers Anwendung fand, ist jedoch unklar.

 

D.D.

Quellen:

  • Plat. Polit. 283a (Platon: Politikos).
  • Plin.at. XIX, 16 – 18. (Plinius d. Ältere: naturalis historia, Buch XIX.).
  • Plut. Mor. 352. (Plutarch: Moralia; Buch V, 351 c – 438 e).
  • Theophr. Hist. plant. 5,7,6. (Theophrast: historia plantarum).

Literatur:

  • Aldrete, G.S.; Bartell, S.; Aldrete, A.: Reconstructing ancient linen body armor, Baltimore 2013.
  • Johl, Carl Hermann: Die Webstühle der Griechen und Römer. Technologisch-terminologische Studie, Leipzig 1917.
  • Pekridou-Gorecki, Anastasia: Mode im antiken Griechenland. Textile Fertigung und Kleidung, München 1989.
  • Strand, Eva Andersson: The Basics of textile Tools and textile Technology: From Fabric to Fibre, in Michel, C. und Nosch, M.-L. (Hg.): textile Terminologies in the ancient Near East and Mediterranean from the third to the first millenia BC, Oxford 2010, S. 10 – 22.

D.D.