Die Kulturpflanze Lein

Ein kurzer Einblick in Anbau- und Verwendungsgeschichte

Getrocknete Flachspflanzen sowie Garn und Seil aus Leinen.

Foto: Florian Gerlach @ Wikimedia.commons


Wo immer Hochkulturen entstanden sind, gab es eine bereits mehr oder weniger stark entwickelte Gesellschaft: Mehrere Menschen, die, statt umher zu ziehen, sesshaft geworden waren. Die Grundlage hierfür bildete ein vorangeschrittene Etablierung des Ackerbaus. Dieser Schritt, über mehrere Jahrhunderte hinweg, ebnete den Weg zum Aufbau einer Gesellschaft mit immer komplexeren Strukturen, sei es in Süd- und Mittelamerika, sei es in China oder sei es in Mesopotamien.

Der für uns wichtige Schritt in diesem Prozess begann etwa vor 12000 Jahren im sogenannten Fruchtbaren Halbmond. Ein Gebiet, dass vom heutigen Libanon über Syrien und den Irak bis in den Iran hinein reichte. Hier entwickelten die Menschen den ersten für uns greifbaren Ackerbau, indem sie mehr zufällig als gezielt begannen, Gräser zu sammeln. Am Ende stehen die ersten Getreidepflanzen wie Einkorn, Emmer und Dinkel. Neben der Etablierung dieser Kulturpflanzen entwickelten sich aus dieser Arbeit weitere für uns notwendige Techniken, wie die für Lagerung, hier Töpferei, und die Verarbeitung zu essbaren Produkten, hier Brei bzw. Brot. Im Zuge dieser Kultivierung wurden weitere Pflanzen domestiziert. Eine davon ist die Leinpflanze, kurz Flachs genannt. Sie diente zum einen als Öllieferant, zum anderen als Faserpflanze, woraus guter Stoff zur Textilherstellung gewonnen werden konnte. 

So gut man auch anhand überwiegend archäologischer Quellen nachvollziehen kann, wie der Getreideanbau von statten ging, so sind die beim beim Kultivieren und Verarbeiten von Flachs angewendeten Verfahren schwieriger zu fassen. Sie ähnelten sehr wahrscheinlich dem Anbau von Getreide.

 

In römischer Zeit haben sich erstaunlicherweise mehrere Autoren mit dem Thema Landwirtschaft auseinander gesetzt. Plinius der Ältere hat in seinem Werk historiae naturalis dem Flachs sogar ein ganzes Buch gewidmet, Buch 19. Auf diese Grundlage zeigt sich zunächst, welche Bedeutung dieser Pflanze zumindest im römischen Reich beigemessen wurde. Demzufolge gab es mehrere Anbaugebiete, in denen Flachs in unterschiedlicher Güte produziert wurde. Plinius nennt hier Ägypten und Gallien als die am besten geeigneten Gebiete, ergänzt durch Indien. Ebenso wird durch archäologische Quellen aus einem Bergwerk der Kelten (Latènekultur) die deutlich frühere Verwendung außerhalb des Mittelmeergebietes bestätigt.

 

 

Leinenbeutel mit weiteren Leinenstücken darin. Bauopfer aus der Heb Sed Kapelle bei Lahun, Fayum, Ägypten. 12th Dynastie.

The Petrie Museum of Egyptian Archaeology, London.

Foto: Osama Shukir Muhammed Amin FRCP (Glasg) @ Wikimedia.commons

 

Die Qualität bestimmte die weitere Verwendung des gewonnenen Materials. Minderwertiges Flachs wurde verwendet, um Netze aller Art, wie z. B. zum Fischen herzustellen. Qualitativ mittelmäßiges Flachs wurde genutzt, um feinmaschige Stoffe zu weben, die beispielsweise zum Filtern von Olivenöl dienten. Noch besserer Flachs fand bei der Segeltuchherstellung Anwendung. Plinius schätze vor allen Verwendungen vor allem diese, da ohne es kaum möglich gewesen wäre, Schiffe so schnell zu bewegen. Eine weitere Quelle, die Bibel, gibt Aufschluss darüber, dass die Qualität des Flachs auch über die Verwendung als Kleidung entschied. Der Flachs von bester Qualität zierte die Decken und Wände von religiösen Gebäuden und diente als Kleidung der Priesterschaft. Es ist weiter anzunehmen, dass minderwertiger Flachs für die Kleidung breiter Massen Verwendung fand, auch eventuell in Verbindung mit Wolle. Insgesamt betrachtet bietet Plinius der Ältere die ausführlichste literarische Quelle zum Themenkomplex Leinpflanze bzw. Flachs.

 

Die wichtigste Voraussetzung, um das Material in großer Menge verfügbar zu haben, ist der relativ einfache Anbau und die entsprechende Verarbeitung. Nach Plinius und auch Cato, Varro und Columnella wurde der Flachs beim Aufgang der Plejaden ausgesät. Er wuchs auf einfachen und kargen Böden sowie auch an Hanglagen. Letzteres zeigt womöglich auf, das auch in Griechenland Flachs angebaut worden sein könnte, obwohl dieses Land sonst eher mit wenig fruchtbarem Ackerland gesegnet war und ist. Ein besonderer Punkt während des Wachstums der Pflanzen gilt dem Schutz vor Unkräutern. Hier beschreiben alle Autoren, dass man diese regelmäßig per Hand entfernte.

 

Stufen der Verarbeitung von Flachs bei der Herstellung von Leinengarn.

Foto: Frank Vincentz @ Wikimedia.commons

 

Nach Plinius gab es zwei Zeitpunkte zum Ernten der Pflanzen: der Eintritt einer gelblichen Färbung der Pflanze und das Anschwellen des Samens. Bei der Ernte wird der Flachs bodennah abgetrennt, zu Garben zusammen gebunden und mit der Wurzel nach oben aufgehangen. Danach wurde das Bündel, mit Steinen beschwert, in Wasser gelegt und man warte darauf, bis sich erste Fasern lösten. Dann wurde das Bündel herausgenommen und mit einer Art Dreschflegel gedroschen und anschließend gehechelt (gekämmt). Zwischen jedem Schritt hielt man das Flachsbündel erneut in das Wasser. Je öfter der Vorgang durchgeführt wurde, umso reiner wurde später das Flachsgarn. 

R.V.