Plastik

Mars von Todi. Lebensgroße etruskische Bronzeplastik, spätes 5. bis frühes 4. Jh. v. Chr., Vatikanische Museen Rom (Museo Gregoriano Etrusco).

Foto: Jean-Pol GRANDMONT (Wikimedia Commons) (Ausschnitt)

Neben den zahlreichen Abbildungen auf Vasen stellen die Darstellungen von Rüstungen in der Plastik weitere wichtige Quellen dar. Unter Plastik werden in der antiken Kunst geformte und modellierte Darstellungen wie Reliefs, Statuen oder Statuetten verstanden. Da die Plastik aus allen Blickwinkeln erschlossen werden kann, gibt sie mehr Aufschluss über den Aufbau von Linothorakes als die flachen Abbildungen auf Keramik. Allerdings sind Darstellung in der Plastik auch deutlich seltener als in der Vasenmalerei. Hinzu kommt, dass viele Darstellungen nur fragmentarisch erhalten sind und daher oftmals nur einzelne Teile des Leinenpanzers wiedergeben.

 

Griechische Plastik

 

Der Leinenpanzer wird in der attischen Kunst entweder auf Friesen und Giebeln von Tempeln oder im sepulkralen Kontext auf Grabstelen oder Sarkophagen dargestellt. Die ersten Darstellungen von Leinenpanzer finden in der Tempelarchitektur und auf Grabstelen Verwendung, welche zeitgleich mit denen auf der Keramik um 500 v. Chr. auftauchen. Aus der seitlichen Perspektive geht hervor, dass die Schulterklappen aus einem Stück gearbeitet sind und nur an der Brust befestigt werden müssen (Abb. 1). Während der Leinenpanzer ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. nicht mehr in der Vasenmalerei dargestellt wird, datieren die meisten Reliefs in das 3 bis 2. Jahrhundert v. Chr. Deren Darstellungen von Leinenpanzern beschränken sich allerdings auf die Verwendung als schlicht gehaltene Dekoration von Grabmälern und Sarkophagen, hauptsächlich in Ephesos und Makedonien (Abb. 2).

 

Abb. 1: Grabstele des Aristion, gefertigt vom Bildhauer Aristokles in Athen um 520.

Archäologisches Nationalmuseum Athen.

Foto: Filos96@commons.wikimedia

 

Abb. 2: Relieffragment aus Numidien,

Simitthus, 2. Jh. v. Chr.

 


Etruskische Plastik

 

Plastische Darstellungen aus der etruskischen Kunst machen einen Großteil der Leinenpanzermotive aus. Die Etrusker bilden ab dem 8 Jahrhundert v. Chr. die erste Hochkultur auf italischem Boden, deren Siedlungsraum sich von der Emilia Romagna bis nach Kampanien erstreckte. Von ihrer römischen Bezeichnung Tuscii leitet sich der heutige Name der Toskana ab, dem einstigen Kernland der etruskischen Kultur.

In der Reliefkunst werden, wie in Griechenland, ebenfalls ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. Hopliten mit Leinenpanzern dargestellt. Der etruskische Leinenpanzer entspricht dabei in seinem Aufbau dem griechischen Typus. Die Schulterklappen werden durch Schnür an Knöpfen auf der Brust befestigt (Abb. 3), am unteren Rand sind ein- oder zweischichtige Pteryges angebracht. Auch Dekorationselemente wie Sterne auf den Schulterklappen oder die Gorgo Medusa auf der Brust sind zu finden (Abb. 4). Ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. nimmt die Zahl der Darstellungen rapide ab und auch die Darstellung ändert sich. Die Schulterklappen werden nicht mehr durch eine Schnur an Metallringen, sondern direkt auf dem Brustpanzer befestigt. Im Laufe des 1 Jh. v. Chr. wird der Leinenpanzer auf etruskisch-römischen Sarkophagen dann immer häufiger mit Schuppen verziert (Abb. 5).

 

Abb. 3: Terracottafragment vom Tempel der Juno Moneta, Museum Villa Giulia Rom. 600 - 400 v. Chr.

Foto: Dan Diffendale (flickr)

 

Abb. 4: Terracottafragment vom Esquilin, Antiquarium Comunale, 450 v. Chr.

Abb. 5: etruskische Urne, 1. Jh v. Chr., Tomba dei Purni

 


Zu einer weiteren Darstellungsgruppe gehört die Bronzeplastik aus dem 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. Auf zahlreichen Statuetten des etruskischen Kriegsgottes Laran ist dieser mit einem Leinenpanzer ausgerüstet. Die Gestaltung der Rüstung kann variieren, wobei, anders als beim griechischen Typus, auch die Verzierung mit eckigen und länglichen Schuppen sowie eingeritzten Mustern möglich ist (Abb. 6). Die Schuppen können neben dem Brustbereich auch Schulterklappen und Pteryges bedecken. Ein früher Vertreter dieses Panzertypus ist die lebensgroße Statue des Mars von Todi, dessen Panzer vollständig mit langrechteckigen Plättchen dekoriert ist (Abb. 7). Da sich aufgrund der großen Variationsbreite der Leinenpanzer in der etruskischen Kunst kaum zwei identische Exemplare finden lassen, erweist sich die Abgrenzung von verschiedenen Typen als schwierig.

 

Abb. 6: Bronzestatuette des Laran, British Museum London, 4 Jh. v. Chr.

 

Abb. 7: Mars von Todi, Museo Gregoriano Etrusco, Vatikan Rom, um 400 v. Chr.

Foto: Sailko@commons.wikimedia

 


Römische Plastik 

 

In der römischen Kunst beschränken sich Darstellungen auf Reiterstatuen und Bildnisse von Kaisern sowie Reliefs auf Ehrenbögen und Siegessäulen. Ab dem 2 Jh. n. Chr. erfreuten sich bei den Kaisern neben schlichten Porträts vermehrt auch Panzerbüsten großer Beliebtheit. Sie sollten die militärische Kompetenz des Kaisers in den Vordergrund stellen. Dieser neue Bildnistypus präsentierte den Kaiser in militärischer Tracht, unter anderem auch durch einen Leinenpanzer geschützt. Oft ist die Darstellung der Klappen über den Schultern sowie das Gorgoneion zwischen ihnen sehr detailreich ausgeführt (Abb. 8). Die Laschen erscheinen zum Teil wie aus kräftigem Leder gefertigt und werden vielfach mit mythischen Figuren oder Tiermotiven verziert. Auf zahlreichen Panzerbüsten werden die Schulterlaschen mit einem Band in Form einer Schleife an einer Ringöse oder einem Knopf verschnürt (Abb. 9). Das Paludamentum fällt über die linke Schulter herab und bedeckt einen Teil der Rüstung.

 

Abb. 8: Hadriansbüste, 130 n. Chr.

Archäologisches Nationalmuseum, Madrid

Foto: Carole Raddato (flickr)

 

Abb. 9: Hadriansbüste, 2. Jh. n. Chr.

Archäologisches Nationalmuseum Neapel

Foto: Egisto Sani (flickr)

 


Die seit augusteischer Zeit häufig belegten Panzerstatuen weisen im Wesentlichen die gleichen Merkmale der Schulterklappen und der Brustdekoration auf wie die Panzerbüsten. Die Dekoration überzieht entsprechend der größeren Fläche oft den gesamten Brustpanzer, jedoch nie den Rücken. Szenische Darstellungen wie auf dem Augustus von Primaporta sind dabei die absolute Ausnahme (Abb. 10). Meistens besteht das Dekor aus Viktorien, Gorgorneia, Greifen oder anderen mythischen Wesen und Voluten. Hinzu kommt oft die Feldherrenbinde, die in hellenistischer Zeit aufkommt und als eine Art Gürtel um die Hüfte getragen wird. Sie ist gut am Knoten auf dem Bauch erkennbar, wobei desse lose Enden in der Form zweier Schlaufen links und rechts hinter die Binde geklemmt werden. Die Pteryges am unteren Rand des Panzers sowie an den Armlöchern sind oft verdreht und bewegt und erwecken auf diese Weise den Anschein weichen Materials. Sie sind zudem deutlich länger als die Pteryges der griechischen Kunst und verfügen über mehr Reihen (Abb. 11). Neben diesen Abwandlung sind noch weitere Unterschiede zwischen den römischen Kaiserstatuen und dem klassischen Leinenpanzer zu nennen, wie der zumeist fehlende Nackenschutz, die eng an den Körper anliegende Form und der tiefer sitzende und stark geschwungene untere Rand. Bei genauer Betrachtung kann der Muskelpanzer der römischen Panzerstatuen und -Büsten somit nur lose mit dem Leinenpanzer in Verbindung gebracht werden. Zwar weisen viele Elemente deutlich auf dessen Vorbildwirkung hin doch zeigen andere, dass sich die Darstellungsweise seit hellenistischer Zeit weiterentwickelt hatte. Inwiefern diese Neuerungen reale Entwicklungen im Rüstungswesen wiederspiegelten, ist unklar.

 

Abb. 10: Augustus von Primaporta, 1. Jh. n. Chr. 

Vatikanische Museen, Rom

Foto: sailko@commons.wikimedia

 

Abb. 11: Panzerstatue Hadrians aus Perge,

2. Jh. n. Chr., Archäologisches Museum Antalya

Foto: Wolfgang Sauber@commons.wikimedia 

 


Aus der kaiserzeitlichen Plastik sind jedoch auch einige wenige Darstellungen bekannt, die denen aus der griechischen und etruskischen Kunst sehr ähnlich sind. Ein herausragendes Exemplar ist die lebensgroße bronzene Reiterstatue Domitians aus Baiae, die den Kaiser in einer Rüstung zeigt, die alle Merkmale eines realen Leinenpanzers aufweist (Abb. 12). Allein die größere Länge der Pteryges unterscheidet die Plastik von ihren klassischen Vorbildern. Neben dem sehr plastisch ausgearbeiteten Dekor weist auch die charakteristische Feldherrenbinde auf das jüngere Alter der Darstellung hin.

 

Abb. 12: Reiterstatue Domitians, Gesicht zu Nerva umgearbeitet, 1. Jh. n. Chr., Museum Baia (Bacoli)

Foto: Michael Zerjadtke

 

Abb. 13: Trajanssäule (Abguss), 2. Jh. n. Chr.

Museo della Civiltà Romana,

Foto: Michael Zerjadtke

 


Auch auf einigen Siegessäulen und Ehrenmonumenten des 2. Jh. n. Chr. sind Personen mit Rüstungen zu finden, die stark an Leinenpanzer erinnern. Es handelt sich zumeist um Offiziere oder auch den Kaiser selbst (Abb. 13), während die regulären römischen Soldaten entweder Schienen-, Ketten- oder Schuppenpanzer tragen. Überdies ist auch die Verwendung als Dekorationselement in der Architektur zu nennen, wie sie bereits für den Hellenismus erwähnt wurde. Einige wenige Abbildungen zeigen, dass manche Künstler dabei noch zwischen dem Leinenpanzer griechischen Typs und dem Muskelpanzer in der Art der Panzerstatuen unterschieden. Doch im Laufe der Kaiserzeit verwischte der Unterschied immer mehr und es bildete sich der stereotype Muskelpanzer heraus, der als Chiffre für militärische Tüchtigkeit noch lange in Gebrauch blieb und ab der Renaissance auch wieder in gleicher Funktion verwendet wurde.

J.D.