Kampfweise: die Schlacht in der Phalanx

Die sogenannte Chigi-Kanne, eine protokorintische Olpe um 640 v. Chr., zeigt die älteste bekannte Darstellung einer griechischen Hoplitenphalanx. Auf zwei Bildfriesen ist der Beginn einer Schlacht zwischen zwei Heeren abgebildet. Gut erkennbar sind die Haltung der Stoßlanzen, der Schilde, das Überlappen der benachbarten Schilde und die musikalische Begleitung, die das Marschieren im Gleichschritt erleichtern sollte.

Museo nazionale etrusco di Villa Giulia, Rom.

Foto: Sailko @ Wikimedia.commons


Die Kampfweise in der griechischen Antike hängt eng mit der Verwendung verschiedener Rüstungen zusammen. Beide am häufigsten vertretenen Panzerarten, der Linothorax und der Bronzepanzer, eignen sich für die Form des Nahkampfs, die den Großteil der Archaik, Klassik und des Hellenismus prägte: die Phalanx. Deshalb folgt hier ein kurzer Überblick der Thematik.

 

Entstehung

 

Die Schlachtformation der Phalanx (altgrie. φάλαγξ = Walze) kam in Griechenland irgendwann in der Archaik auf, vermutlich im Laufe des siebten Jahrhunderts v. Chr. Sie löste den homerischen Kampf ab, in dem die meist adeligen Krieger sich auf Streitwagen dem Schlachtfeld näherten, um dann abzusteigen und nach einer Fernkampfphase mit Wurfspeeren die Entscheidung im Handgemenge zu suchen. Einhergehend mit der allmählichen Demokratisierung bzw. politischen Egalisierung der griechischen Stadtstaaten änderten sich die Formation und Ausrüstung: Fortan standen die Männer in dicht gedrängter Ordnung nebeneinander, anfänglich mit Bronzerüstungen, später zunehmend mit Leinenpanzern, großen, konkaven Rundschilden (ὅπλα = hópla, daher die Bezeichnung Hoplit) und Schwertern ausgerüstet. Aus der Ausrüstung ergab sich im Verbund mit der engen Aufstellung eine schwerfällige, massive Formation, die alles niederwalzte, was sich ihr in den Weg stellte. Von dieser Eigenschaft ist der Name Phalanx abgeleitet. Die Wurfspeere und die damit verbundene Aufgabe des Fernkampfes wurden an die Leichtbewaffneten übertragen. Die Entscheidung wurde jedoch fast immer zwischen den Phalangen der Schwerbewaffneten im Nahkampf getroffen. Die Vorläufer der Phalanxaufstellung sind jedoch wahrscheinlich wesentlich älter als ihre Anwendung im archaischen Griechenland, was nicht überrascht, da diese Formation sich für mit Stoßspeeren und Schilden ausgestattete Fußsoldaten am besten eignet. So gibt es Hinweise auf sumerische Formationen, die große Ähnlichkeit mit der griechischen Phalanx aufweisen, aber bedeutend älter sind. 

 

Kampfverlauf

 

Trafen zwei griechische Phalangen aufeinander, standen die Kämpfer in Reihen so eng nebeneinander, dass sich die Ränder ihrer Schilde überlappten. Dadurch deckte jeder Einzelne die rechte Seite seines linken Nebenmannes. Häufig bildeten die wohlhabendsten und damit am besten ausgerüsteten und schlagkräftigsten Bürger das erste Glied. Die dicht dahinter aufgestellten zweiten und dritten Schlachtreihen nutzten die Lücken in den Reihen vor ihnen, um ihre Speere auf den Feind zu richten. Dadurch entstand von vorn eine nahezu undurchdringliche Wand aus Speerspitzen, die anstürmende Feinde und vor allem Reiter vom Angriff abhielt. Alle dahinter stehenden Reihen hielten ihre Speere aufrecht bzw. in steilem Winkel nach vorn, um Geschossen ein Hindernis zu bieten. Somit war die Phalanx nur in den Flanken und im Rücken effektiv bedroht und musste dort stets durch andere Truppen geschützt werden. Normalerweise stand eine Phalanx zwischen acht und 16 Glieder tief, es sind jedoch auch wesentlich tiefere Aufstellungen überliefert. Häufig hing die Tiefe von auf dem Schlachtfeld vorhandenen Platz und der Breite der gegnerischen Aufstellung ab, auf die es zu reagieren galt. Wenn ein Mann fiel, wurde er sofort durch den hinter ihm stehenden ersetzt, denn tat sich einmal eine Lücke auf, in die der Gegner eindringen konnte, war häufig die Phalanx und damit die ganze Schlacht verloren. Gekämpft wurde überwiegend mit den Spießen, im Handgemenge auch mit kurzen Stechschwertern. Da jeder Phalangit seinen linken Nachbarn schützte, ergab sich allerdings ein folgenschweres Problem: Die rechte Flanke einer Phalanx war in Ermangelung von Schilden stets ungedeckt. Somit tendierten die Männer dazu, in den Schutz ihres rechten Nebenmannes zu rücken, wodurch sich nach und nach die ganze Schlachtordnung nach rechts verzog und sich ein Schwerpunkt bildete. Dazu kam, dass auf dem rechten Flügel traditionell der Platz der Elite war. Aufgrund dieser Tatsachen siegte in der Mehrzahl der Hoplitenschlachten die rechte Flanke über die gegnerische linke (möglicherweise stand die Elite auch deshalb rechts, weil es dort den meisten Ruhm zu ernten gab). Folglich waren die meisten Schlachten entschieden, sobald die linke Flanke dem Druck nachgab und zu weichen begann. Der Flucht folgte häufig die Auflösung der gesamten Schlachtordnung. Erst der thebanische Feldherr Epameinondas revolutionierte die Hoplitenschlacht Anfang des vierten Jahrhunderts v. Chr., indem er den linken Flügel massiv verstärkte, sodass in der Zeit, in der der rechte Flügel über den gegnerischen linken triumphierte, der linke lange genug durchhielt, um diesen Triumph nicht in einem Patt enden zu lassen. Mit der neuen Schwerpunktbildung war der linke Flügel außerdem nicht stark genug, um dem gegnerischen Angriff stand zuhalten, sondern seinerseits den Gegner zurückzutreiben. Mit dieser Neuerung gelang es den Thebanern, den bis dahin vorherrschenden Spartanern entscheidende Niederlagen beizubringen.

 

Othismos

 

In der historischen Forschung existiert die Theorie, dass eine Schlacht nicht durch Waffengewalt, sondern durch das (rituelle) Messen der Körperkraft entschieden wurde. Die Anhänger dieser Forschungsmeinung teilen sich in zwei Lager. Die einen sind überzeugt, man habe sich diesen so genannten Othismos als direkten Druck zweier Phalangen aufeinander vorzustellen, wobei versucht wurde, die gegnerischen Reihen aufzubrechen und so die Schlacht zu entscheiden. Die anderen sind der Meinung, der Druck habe der jeweiligen Formation als Ganzes gegolten und man habe versucht, die feindliche Phalanx vom Schlachtfeld zu drängen. Die Verfechter beider Varianten hoffen auf diese Weise die häufig geringen Verlustangaben in der Überlieferung zu erklären. Es gibt jedoch einige Bedenken hinsichtlich des Nutzens und der Anwendung des Othismos. Zunächst scheint es reichlich riskant, den Gegner allein mit Druck überwinden zu wollen. Starker Druck sowohl von vorn als auch von hinten hätte mindestens die erste Reihe, wenn nicht auch noch die zweite und dritte, nutzlos gemacht und viele Männer übereinander oder über das Gelände stolpern lassen - eine der größten Gefahren für solch enge Formationen. Darüber hinaus würden genau die Männer eingequetscht, deren Ausrüstung und Ausbildung sie zum Kampf mit Waffen besonders befähigte, nämlich die reicheren Vorkämpfer in der Frontreihe. Bei der zweiten Variante stellt sich die Frage, wie eine mitunter aus vielen tausend schwerbewaffneten Männern bestehende Formation eine so große Entfernung geschoben werden soll, dass sie die Begrenzung des Schlachtfelds übertritt. Nicht nur unterschätzen die Forscher sowohl die Anstrengung, die für eine solche Tat vonnöten ist, als auch den rituellen Aspekt. In den Quellen finden sich keine Hinweise darauf, dass das Verlassen des Schlachtfelds einer Niederlage gleichkam, welche vielmehr durch den Bruch der Schlachtreihe und die nachfolgende Flucht besiegelt war. Die häufig überlieferten geringen Verluste sind nicht nur durch einen wie auch immer gearteten Othismos zu erklären, sondern viel einfacher durch die Kürze der Auseinandersetzungen, die Zusammensetzung der Hoplitenheere und ihre Größe. Die meisten Armeen in der archaischen und klassischen Zeit waren verglichen mit späteren Jahrhunderten sehr klein. Häufig fanden Gefechte nur zwischen einigen hundert bis wenigen tausend Kombattanten statt. Dabei gab es dementsprechend wesentlich weniger Verwundete und Tote als bei den weitaus größeren Zusammenstößen der Perser-, Diadochen- oder Punischen Kriege. Unabhängig von der Art der Schlacht entstanden in der Antike die Verluste zum größten Teil nicht im Kampf, sondern auf der Flucht. Die meisten Kämpfe zweier Phalangen dauerten im Vergleich zu anderen Schlachten wohl nicht besonders lange. Sobald sich ein Riss in der Formation auftat und die ersten Kämpfer zurückwichen, kam es zur einer Kettenreaktion, in deren Folge das unterlegene Heer sein Heil in der Flucht suchte. Die Zusammensetzung archaischer und klassischer griechischer Heere begünstigte dabei die Fliehenden, denn die wenigsten Poleis unterhielten eine nennenswerte Reiterei. Die vom Kampf erschöpften Phalangiten waren zur Verfolgung Fliehender nicht geeignet, Leichtbewaffnete nur im Rahmen ihrer Ausdauer. In späteren Schlachten, vor allem seit der Zeit Alexanders, spielte die Reiterei nicht nur während des Kampfes, sondern auch bei der Verfolgung eine herausragende Rolle. Das erklärt die bei Weitem höheren Verlustzahlen unterlegener Armeen in späterer Zeit.

 

Weitere Entwicklung

 

Unter Alexander und seinen Nachfolgern (möglicherweise auch schon unter Philipp II.) erfuhr die Phalanx einige bedeutende Veränderungen. Die kurzen Speere wurden durch überlange Spieße (sog. Sarissen) ersetzt, ebenso wurden kleinere Schilde genutzt, sodass die Formation noch enger wurde und noch mehr Speerspitzen auf den Feind gerichtet werden konnten. Daneben wurden im Laufe der Zeit verschiedene Truppen eingeführt, deren Aufgabe es war, die nach wie vor bedrohten Flanken der Phalanx zu schützen. Unter den Diadochen war die Phalangitenstreitmacht nicht mehr die entscheidende Waffe der vorherigen Jahrhunderte, denn nun wurden die meisten Kämpfe durch die Reiterei entschieden. In einige Schlachten griff die Phalanx gar nicht mehr aktiv ein. Erst unter den Römern sollte das Fußvolk wieder die Hauptlast des Kampfes tragen, doch die Phalanx wurde spätestens mit der Einführung der Manipulartaktik aufgegeben.

F.W.