Zweiter Beschusstest: Skythenpfeile

 

Nach einigen Recherchen und mit der bereitwilligen Hilfe von Herrn Rudolf Faustmann und Herrn Moritz Aßmann ging unser Beschusstest in die zweite Runde. Da mehr oder minder authentische Skythenpfeile kaum zu besorgen sind, mussten wir die Pfeile selbst anfertigen. Die Spitzen wurden von einem Bronzegießer in der Ukraine nach historischen Vorbildern angefertigt. Das Material ist allerdings Aluminiumbronze und keine Zinnbronze, was das Ergebnis vermutlich leicht verfälschen kann. Auf der anderen Seite sind auch die historische Pfeilspitzen gegossen worden und daher nicht so hart, wie es geschmiedete Spitzen gewesen wären. Insofern ist die Abweichung eventuell vernachlässigbar. Als Pfeilschäfte haben wir kommerzielle Holzschäfte von 32 Zoll Länge (ca 81,5 cm) verwendet, dazu gefärbte Gänsefedern und Plastiknocken. Die Bestandteile selbst unterscheiden sich nicht sonderlich von modernen Holzpfeilen, doch die Gestaltung des Pfeiles ist dennoch bemerkenswert. Bereits auf den ersten Blick auf die Pfeilspitzen wird deutlich, dass die kaum 3 mm breiten Tüllen nicht einmal ansatzweise auf die Pfeilschäfte passen. Doch dies war aufgrund der Gestaltung skythischer Pfeile auch gar nicht erforderlich.

 

 

Skythische Pfeilschäfte waren keinesfalls auf der ganzen Länge gleich stark, sondern hatten unterschiedliche Durchmesser. Sie waren an der Spitze stark zugespitzt, damit die Pfeilspitzen auch Halt hatten und verdickten sich dann mehr und mehr auf etwa 8 bis 9 mm im Bereich vor der Mitte des Pfeils, sodass dessen Schwerpunkt sich in Richtung Spitze verlagerte. Danach wurden die Pfeile deutlich dünner bis auf einen Durmesser von 6 mm im hinteren Drittel, um sich dann zur Nock hin wieder zu verdicken auf die vorherigen 8 bis 9 mm. Eine solche Formgebung wird als "Barreling" bezeichnet. Die Befiederung skythischer Pfeile unterschied sich ebenfalls zur heutigen, da die Federn mit einer Höhe von knapp 7 mm deutlich niedriger waren, aber dafür mit über 20 cm auch signifikant länger. Bei der Länge der Pfeile scheint es eine große Variationsbreite gegeben zu haben. Grabfunde bestätigen Längen zwischen 55 und 80 cm. Die doch sehr kurz wirkenden Pfeile wurden vermutlich von entsprechend stärkeren Bögen verschossen.

 

 

Die Herstellung gebarrelter Schäfte gestaltete sich dank eines Tricks von Moritz Aßmann nicht so schwierig wie gedacht. Indem man einen Schaft wie einen Bohraufsatz in einen Akkuschrauber spannt, kann man eine einfache "Drehbank" erstellen und die Schäfte mit unterschiedlichen Sandpapieren bearbeiten. Zwar ist dies eine recht zeitaufwändiges Verfahren, doch der relativ geringe Abrieb verhindert bei sorgfältigem Vorgehen das übermäßige Verdünnen der Holzschäfte. Die Federn wurden mit einer Schere ausgeschnitten und mittels Alleskleber und einer Befiederungshalterung aufgeklebt. Ihre Gestalt orientiert sich an moderner Befiederung, da wir auf kurze Distanzen schießen wollten und der Meinung waren, eine allzu schmale Befiederung könnte eventuell nicht ausreichen, um den Pfeil auf kurze Strecken auszurichten. Für die Nocken gibt es spezielle Spitzer, Bleistiftanspitzern nicht unähnlich. Auf diese Weise war die Herstellung der Pfeile mit vertretbarem Aufwand verbunden. Trotzdem erhält man bei der Arbeit einen Eindruck davon, wie zeitaufwändig die Produktion von Hunderten von Pfeilen gewesen sein muss - erst recht, wenn geeignete Holzschäfte selbst beschafft und geglättet werden mussten.

 

 

Da der von uns verwendete Bogen nur eine Zugkraft von 35 Pfund hat und damit vermutlich gerade einmal halb so viel wie starke frühere Skythenbögen, sind die Ergebnisse auch dieses Mal nicht vollständig auf die Antike übertragbar. Allerdings haben wir unsere Tests auf sehr kurze Distanz von etwa 5 m durchgeführt, sodass die Einschlagenergie eines Pfeils immerhin mit einem antiken Beschuss gleichzusetzen ist, der aus weiterer Entfernung abgegeben worden wäre.

 


 

Wie bereits von uns vermutet, war es nahezu unmöglich, die Front des 12 Lagen starken Leinenpanzers mit einem Pfeil zu durchschlagen. Aufgrund der dünneren Schäfte, insbesondere direkt an der Pfeilspitze, brachen alle Pfeile beim Auftreffen ab und manche der Pfeilspitzen gingen dabei verloren. Eine Spitze, die wir wiederfinden konnten, zeigte deutliche Verformungen durch den Aufprall. Eine andere Spitze hinterließ eine deutliche Schleifspur auf dem Panzer, konnte ihn aber nicht anderweitig beschädigen. Ein Pfeil, der oberhalb der Brust einschlug, in dem Bereich, in dem die Panzerung mit 7 Lagen nur halb so dick war, blieb in er Panzerplatte stecken. Beim Beschuss zeigte sich auch, warum die Pfeilspitzen offenbar oftmals nur aufgesteckt oder mit einem sehr leichten Leim befestigt waren. Abgebrochene Schaftspitzen verblieben in den Spitzen und erschwerten eine Wiederverwendung. Spitzen, die nur aufgesteckt waren, konnten nach einer eventuellen Bearbeitung, um sie wieder in Form zu bringen, problemlos erneut auf einen Schaft gesteckt und verschossen werden.

 

Dieser zweite Test bestätigte unsere Vermutung, dass Leinenpanzer mit authentischen Pfeilspitzen nur schwer bis gar nicht durchschlagen werden können. Allerdings ist die Aussagekraft des Tests aufgrund des relativ schwachen Bogens eingeschränkt. Erst ein dritter Versuch mit einem stärkeren Bogen kann in dieser Frage Sicherheit geben.

 

M. Z.