Mit Nadel und Faden statt Leim

Der letzte Versuch, einen Panzer zu verleimen, verlief leider enttäuschend. Daher haben wir uns entschlossen, zwischendurch eine andere Variante der Panzerherstellung zu testen. Anstatt die Lagen zu mit Leim zu verbinden, möchten wir sehen, wie praktikabel das Vernähen des Leinens ist. Als weitere Neuerung werden wir dieses Mal auch einen anderen Aufbau ausprobieren, der von der herkömmlichen Variante abweicht. Bisher hatten wir den Leinenstoff in der gleichen Weise zugeschnitten, wie es im Buch von Aldrete getan wurde, in andere Büchern zu sehen ist und auch bei bisherigen online zu findenden Rekonstruktionen der Fall war. Doch das Zuschneiden von gleich geformten Lagen mit ausgeschnittenen halbkreisförmigen Löchern für die Arme bringt Nachteile mit sich. Einerseits ist das Ausschneiden der runden Formen zeitaufwändiger und zweitens entsteht auf diese Weise Verschnitt, der nicht weiter verwendet werden kann. Somit wird Stoff verschwendet, was vor allem in antiker Zeit sicherlich von größerer Wichtigkeit war. Anhand vieler Quellen ist erkennbar, das Stoff ausnehmend teuer war und die Kleidung für viele Menschen zu den wertvollsten Besitztümern gehörte. Einen Teil davon auszuschneiden und wegzuwerfen wurde demnach vermieden.

Dieses Problem kann man umgehen, wenn man nicht nicht eine Anzahl von gleich geformten Stofflagen aufeinander legt, sondern stattdessen unterschiedliche Lagenformen nutzt. Bei dem oben abgebildeten Muster wurden 8 Leinenstoffbahnen von 100cm Länge und 23cm Höhe ausgeschnitten. Weiterhin wurden zweimal 8 weitere Stoffstücke von etwa 40cm Höhe und 23cm Breite für die Panzerungen von Brust und Rücken ausgeschnitten. Der Panzer nach diesem neuen Muster wird konstruiert, indem auf die erste Lage des 100cm langen Stückes 2 der kleineren Lagen für Rücken und Brust gelegt wird und darauf wiederum eine 100cm langes Stück, auf das wiederum 2 kleinere Stoffstücke folgen usw. Auf diese Weise entsteht die oben zu sehende Form. Ein Effekt dieser alternativen Bauweise ist die unterschiedliche Dicke des Panzers in verschiedenen Zonen. Während die Brust und der Rücken weiterhin durch 16 Lagen geschützt werden, ist der Panzer an den Seiten nur 8 Lagen dick. Da die Seiten ohnehin weniger gefährdet sind, weil sie nicht das primäre Angriffsziel des Gegners darstellen, ist diese vermeintliche Schwäche nicht schwerwiegend. Die oberen 17cm von Brust und Rücken, die ebenfalls nur 8 Lagen stark sind, wären allerdings bedenklich, wenn sich hier nicht aus der Konstruktion des Gesamtpanzers eine Lösung ergeben würde. Durch den Anbau der Schulterklappen mit Rücken werden diese Bereiche jeweils durch weitere Lagen verstärkt und somit ebenfalls gut geschützt.


Die unterschiedlichen großen Lagen müssen sorgfältig aufeinander gelegt und dann zusammen genäht werden. Der Vorteil des Vernähens ist eine bessere Kontrollierbarkeit. Man muss nicht, wie beim Verleimen, alle Lagen in einem Arbeitsgang verarbeiten, sondern kann die Arbeit stets unterbrechen. Auch können Fehler leicht korrigiert werden. Der Nachteil ist jedoch die um ein Vielfaches längere Dauer des Vernähens. Während das Verleimen eines Leinenpanzers maximal eine halbe Stunde in Anspruch nimmt, kostete mich das Zusammennähen der Lagen über 5 Stunden. Und in dieser Zeit schafft man es nur, alle Ränder einmal zu umnähen. Damit der Panzer eine gewisse Festigkeit erhält, müssen die Lagen noch durch eine Vielzahl von weiteren Nähten fixiert werden. Aus Gründen der Arbeitsökonomie wurden diese Binnennähte bei den Schulterklappen mit einer Nähmaschine eingearbeitet.

Weitere Vorteil des Panzerkörpers sind seine weiterhin bestehende Veränderbarkeit und sein Tragekomfort. Anders als ein verleimter Panzer hat die vernähte Variante keine scharfen Kanten und der Panzer kann stets weiter ausgestaltet werden.

Für das Vernähen der Lagen hat sich folgende Technik als sehr effektiv erwiesen: Nachdem die langen Lagen und die kürzeren für die Brust genau aufeinander gelegt wurden, müssen einige punktuelle Nähte angebracht werden, um die Lagen zu fixieren. Um die längeren Nähte entlang der Ränder schnell und genau anbringen zu können und die Gefahr des Verrutschens der Lagen zu umgehen, werden alle Lagen zwischen 2 Holzplatten gelegt und mittels Schraubzwingen fixiert. Dabei sollten die Lagen so eingeklemmt werden, dass die Kante der Holzbretter genau entlang der späteren Naht verläuft. Dann kann man die Kante als Orientierung nutzen, um die Nadel zu führen, ohne dass man dabei die ganze Zeit die Stofflagen mit der Hand festhalten muss.

 

Eine Schwierigkeit ergibt sich jedoch beim Vernähen der dünneren Zonen zwischen Brust und Rücken, die später an den Seiten des Trägers liegen. Da diese Seitenbereich beim Tragen gebogen werden, müssen die Lagen unterschiedlich gelegt werden. Würden alle 8 Lagen glatt aufeinander genäht werden, dann würden später beim Tragen Wellen auf der Innenseite des Panzers entstehen. Um dies zu verhindern, wurden die Flanken auf einer runden Unterlage vernäht. Hierfür bietet sich ein Plastikeimer an, der für diesen Zweck einen schlanken menschlichen Oberkörper nachahmen kann. 

Wir haben uns versuchsweise entschlossen, den ersten vernähten Panzer mit einer dekorativen Schicht weißen Leinens zu verblenden, um seine optische Wertigkeit zu steigern. Diese äußere Lage wurde etwas größer ausgeschnitten, damit sie um die Ränder des Panzers gelegt werden kann. Da der verwendete Stoff relativ dünn ist, kann man den dunkleren Stoff darunter weiterhin erahnen. Eventuell wird später eine zweite Lage nötig sein, um das Durchscheinen der unteren Lagen zu verhindern. 

Der vernähte Stoff ermöglicht es uns, auch nach dem Verbinden der Leinenlagen problemlos noch weitere Applikationen auf den Panzer aufzubringen. Vorgesehen ist die Verstärkung der dünneren Seitenbereiche mit Bronzeschuppen und eventuell das Dekorieren durch farbige Borten. Hierdurch möchten wir unseren Panzer den Vasenbildern anpassen, auf denen die Leinenrüstungen oft mit aufwändigem Dekor versehen sind.

M.Z.